Was sind uns Lammrückenfilet und Gigot wert?


    Kolumne von Johannes Jenny


    Zum Resultat der Abstimmung
    über das Jagdschutzgesetz

    (Bild: zVg)

    Ich bin sehr froh über das «Nein» zum missratenen Jagdschutzgesetz. Wirklich gewonnen haben jedoch – sowohl Gegner wie Befürworter – erst, wenn Naturschützer mit und ohne Flinte die Reihen schliessen und gemeinsam die grossen Probleme des Wildes in unserer Kulturlandschaft in den Alpen, im Jura und im Mittelland angehen. Der zweite Anlauf zu einem neuen Gesetz sollte das Gute im ersten Vorschlag aufnehmen und die «Killerfaktoren» in jedem Sinne des Wortes weglassen.

    Nach meiner Einschätzung ist die grosse Niederlage der Natur, dass das Jagdschutzgesetz überhaupt an die Urne kam. In der Hitze des Gefechts am Schluss der Legislatur wurde ein Gesetz verabschiedet, das mehrere Nationalräte, die beteiligt waren, mir gegenüber als «unsorgfältig erarbeitet» bezeichneten. Der Zankapfel wurde – wissentlich – einfach ans Volk abgeschoben, denn, wo die Schmerzgrenze für das Referendum lag, war allen Beteiligten bekannt.

    Emotionen hüben und drüben…
    Die Emotionen gingen hoch und meine Befürchtung, dass es zu einem Abstimmungskampf Jagd gegen Naturschutz kommen würde, erfüllte sich leider vollauf: Ein Freund, der sich für ein «Ja» einsetzte, sagt mir am Telefon: «Ich habe noch nie einen derart emotional geführten Abstimmungskampf erlebt.» Ein befreundeter, flintentragender Gegner schreibt mir: «Eine persönliche Folge meines Engagements war, dass ich von einer Gesellschaftsjagd in einem unserer Nachbarjagdreviere wieder ausgeladen wurde», ein dritter Waidmann ist überzeugt, dass der Abstimmungskampf, so wie er ausgetragen wurde, viele Austritte bei den Umweltverbänden führen werde. Ich weiss es nicht.

    Kampf
    Sicher ist, dass viel Geld verloren ging, das andernorts fehlt. Nun sind Abstimmungskämpfe halt «Kämpfe» und folglich nie «nett». So gab es bedauerliche Fehler, z.B. dass ausgerechnet der Feldhase im Fadenkreuz des Aargauer Abstimmungsflyers der Umweltverbände stand, wo doch im Aargau niemand den Feldhasen gezielter schützt, als die «Stiftung Wildtiere Aargau» von «Jagd Aargau». Die Jagd umgekehrt muss sich vorwerfen lassen, dass sie sich hat vor einen Karren spannen lassen, auf dem alle möglichen Interessen geladen waren, aber sicher nicht die der Jagd!

    Ja zu einem wirklichen Schafsgesetz
    Nun müssen Naturschützer mit und ohne Flinte zusammensitzen und ein neues Gesetz zustande bringen, das so mehrheitsfähig ist, wie es das geltende war. Thomas Ilg, Jäger im Nein-Komitee hatte damals intensiv mitgewirkt und bezeichnete die jetzige Vorlage als «Schafsgesetz».

    Tatsächlich ist der Schutz der Schafe wichtig, aber damit hat das Gesetz, welches die Regelung der Jagd und den Schutz der Wildtiere(!) zum Ziel hat, nur am Rande etwas zu tun. Nach Thomas Ilgs und meiner Überzeugung sollten Schafe nur noch dort weiden, wo eine intensive Behirtung möglich ist. Diese schützt mit Abstand am besten vor Abstürzen, Krankheit und Wolf. Der Abschuss einzelner besonders schadenstiftender Wölfe ist heute möglich und muss mit einem neuen Gesetz möglich bleiben, und lehrt die intelligenten Wölfe Schafe als gefährliche Beute zu betrachten.

    Mehr echten Schafschutz
    Gebiete, in denen die Behirtung nicht möglich ist, sollen den Wildtieren vorbehalten werden. Andernfalls züchten wir Wölfe, die sich auf Schafe spezialisieren. Eine Folge dieser Vorgehensweise ist, dass wir das Lammrückenfilet oder den Gigot aus den Schweizer Alpen besser geniessen können. Denn für jedes Tier, das die Schlachtreife erreicht, müssen viel weniger Tiere abstürzen, verloren gehen oder einsam an Krankheiten verenden, und weniger Wildtiere werden durch die Krankheiten der Schafe angesteckt. Doch dieser Tierschutz – Lammrücken und Gigot dieser Qualität – haben ihren Preis: Wir Konsumenten in den Ballungsräumen müssen bereit sein, für gleichviel Geld weniger Lammfleisch zu essen. Ich liebe Lammfleisch! Aber nicht jeder Tag ist Sonntag, darum braucht es nicht jeden Tag einen Sonntagsbraten. Das schreibe ich mir hinter die Ohren!


    ZUR PERSON: Johannes Jenny (60), ist promovierter Biologe, war 24 Jahre lang Geschäftsführer von Pro Natura Aargau und wird seine «Restlaufzeit» weiterhin bei Pro Natura sowie in Südamerika für die einheimische Flora und Fauna und das Klima einsetze.

    Vorheriger ArtikelDas «System Mensch» verstehen…
    Nächster ArtikelFacelifting Kundenhalle Baden