Schokolade für Lästermäuler


    Mit spitzer Feder


    (Bild: zVg)

    Hand aufs Herz: Wir haben es alle schon getan – unsere Mitmenschen peinlich genau unter die Lupe genommen und jede Faser von Kopf bis Fuss unserer «Gspännli» sorgfältig gescannt und seziert – kurz und bündig: gelästert. Studien gehen davon aus, dass es in bis zu zwei Dritteln unserer Gespräche um Menschen geht, die gerade nicht anwesend sind. «Wenn alle Menschen wüssten, was die einen über andere reden, gäbe es keine vier Freunde auf Erden» sagte einmal der französische Philosoph und Mathematiker Blaise Pascal. Egal, ob bei einer privaten Unterhaltung zwischen Freunden oder mit Kollegen im Büro – Lästern ist keinesfalls eine Erfindung der Neuzeit. Tatsächlich geht der Begriff «Klatsch» bis ins Mittelalter zurück, als sich die Frauen des Dorfes am Waschplatz trafen, um ihrer Arbeit nachzugehen. Tratschen scheint uns Menschen im Blut zu liegen und bei gewissen Exemplaren unsere Spezies wohl sogar in der DNA einprogrammiert zu sein. Sicher ist: Lästern übt eine grosse Anziehungskraft aus, denn während des Lästerns fühlen sich Menschen ausgesprochen wohl. Wer sich mit anderen über eine abwesende Person erhebt, wird von Bindungs- und Zufriedenheitshormon wie Serotonin, Oxytocin und DHEA überschwemmt. Er fühlt sich zugehörig und das bedeutet Entspannung pur. Der negative Blick auf andere eint Menschen in ganz besonderem Mass. Lästern ist also so eine Art Networking. Dazu ist es ein Kompass dafür wie man sich in der Gesellschaft verhalten soll. Denn Klatsch erfüllt die Funktion eines sozialen Warnsystems. Man erfährt über Dritte, wenn jemand boshaft oder hinterhältig ist. Klatsch und Trasch ist für viele Menschen auch ein einfacher Weg, den Frust loszuwerden, den das Verhalten ihrer Partner, Kollegen und Chefs bei ihnen losgetreten hat.

    Auch ich bin nicht ausgenommen und betreibe ab und zu solche «Psychohygiene». Doch je älter ich werde, desto mehr ist Klatsch und Trasch für mich langweilig und eine unnötige Verschwendung meiner Zeit und Energie. Ich beschäftige mich lieber mit mir selbst als mit der Schmutzwäsche des Nachbarn. Denn das harmlose bis fieses Gerede ist im Grunde ein Zeichen von Schwäche. Ich kenne viel charmantere Wege, Nähe zu anderen Menschen aufzubauen, als durch das Bündnis gegen Dritte. Denn das abwertende Reden über andere, die gerade nicht dabei sind, birgt erhebliche Tücken und zwar nicht nur für die Opfer. Im Grunde zerstören wir mit Gehässigkeiten vor allem unser eigenes Vertrauen in andere; wer lästert erwartet dasselbe Verhalten schliesslich auch von anderen. Lästern ist meines Erachtens eine Form von verbaler Aggression und kann damit auch viel Schaden anrichten. Denn während es dem einen soziale Macht gibt, macht es andere ohnmächtig. In extremen Formen, wie beim Mobbing, kann das zur sozialen Isolation führen – mit psychischen Folgen für die Betroffenen. Als Lästerer richtet man seinen negativen Blick auch auf sich selbst.

    Übrigens – es scheint mir, gerade in der Corona-Krise scheint Tratsch und Klatsch Hochkonjunktur zu haben! Man schaut wieder vermehrt auf den Nachbarn – wie er diese Pandemie bewältigt: Hat er die Tracing-App des Bundes installiert, hält er Abstand, wäscht er sich die Hände, umarmt er seine Liebsten, trägt er eine Schutzmaske etc. Allerdings haben dabei die meisten von uns die unnötige Angewohnheit, andere nach solchen Handlungsweisen zu bewerten und in einen Topf zu werfen mit der Etikette «Egoist», «rücksichtslos», «schlechter Mensch» etc. Wir sollten dies lassen ganz nach dem Motto «Leben und leben lassen»!

    Das heisst nicht, dass man gar nicht mehr über andere reden soll. Natürlich ist das Verhalten anderer Leute spannend und lehrreiche und die Auseinandersetzung damit für das soziale Wesen Menschen existenziell. Aber es gibt einen Unterschied zwischen abwertendem Lästern und wertvoller Reflexion. Man kann Lästern durch ein positives Gespräch ersetzen. Ich suche immer gezielt das Gute im anderen, was zu 90 Prozent hervorragend funktioniert. Die restlichen zehn Prozent sind weniger erfreuliche, aber genauso wertvolle Erfahrungen, die ich unter Lebensschule abbuche. Aus Erfahrung kann ich deshalb sagen: Ein positiver liebevoller Blick auf den Menschen lohnt sich immer – vor allem auch für die Gesundheit der eigenen Seele. Denn es ist jedenfalls besser, in Frieden und nicht allzu konfrontativ durchs Leben zu gehen. Dann schweigt übrigens auch der eigene innere Kritiker immer öfters. Und benötigen Sie dann doch ein wenig Zufriedenheitshormone, so geniessen Sie ein wenig Schokolade – so mache ich es jedenfalls!

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund
    Verlagsredaktorin

    Vorheriger Artikel«Den Unternehmen eine starke Stimme geben»
    Nächster ArtikelNeue Sonderausstellung zum Klimawandel im Naturama